Werkeinfühung

Magnificat

Das Magnificat beginnt mit Marias Worten ‚Magnificat anima mea dominum‘: Meine Seele preiset den Herrn. Es gilt als einer der bedeutendsten biblischen Texte. Der Evangelist Lukas überliefert uns als einziger dieses wunderbare Lied, das Maria gesungen oder gesprochen hat, als ihre Cousine Elisabeth zu ihr sagte: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist das Kind, das du in dir trägst.“

Das Magnificat ist das Lied jedes einfachen Menschen, der weiß, dass er zu den „kleinen Leuten“ gehört, aber trotzdem von Gott nicht vergessen wird, ein Lied gegen die Hoffnungslosigkeit der Unterdrückten und gegen die Verzweiflung der Kleinen am Rand der Gesellschaft. Es ist ein Lied des Vertrauens darauf, dass Gott seinen Bund mit den Menschen für alle Zeiten halten will, einen Bund, den er schon vor Urzeiten „mit Abraham und unseren Vätern“ geschlossen hat.

In der Chorliteratur existieren viele Vertonungen dieses Textes von großen Komponisten wie Bach, Tschaikowski oder Vivaldi.

Rutter begnügte sich nicht mit dem originalen Text, sondern fügte verschiedene Elemente hinzu – so „Of a Rose“, auf dem der zweite Satz basiert, aber auch das „Sanctus“ im dritten Satz sowie das „Sancta Maria“ in der Mitte des abschließenden Gloria. Gleich im ersten Satz, dem „Magnificat anima mea“ wird Rutters Absicht klar, ein fröhliches Magnificat zu schreiben. Der Wechsel von 6/8- und 3/4-Takten erinnert an „America“ aus Leonard Bernsteins „West Side Story“. Die übrigen Sätze zeigen alle ihre ganz eigenen Charaktere: das „Fecit potentiam“ zeigt fast militärische Züge, ganz im Gegensatz dazu ist das „Et Misericordia“ ein zarter Satz, in dem der Solo-Sopran nur sehr zurückhaltend begleitet wird.

Das Magnificat brachte John Rutter 1990 den internationalen Durchbruch als Komponist. In den ersten sechs Monaten nach der Veröffentlichung wurde es allein in den Vereinigten Staaten über 500 Mal aufgeführt.

Mass of the Children 

Die Mass oft he Children entstand zwischen 2002 und 2003 und wurde in der Carnegie Hall in New York uraufgeführt. Der Text stammt von der lateinischen Missa Brevis, jedoch fügte Rutter mehrere poetische Texte hinzu, die von Kindern oder von Solisten gesungen werden.

Die Kinder beginnen mit Bischof Thomas Kens Morgenhymnus „Awake, my soul“. Am Ende singen sie als Kontrapunkt zum lateinischen „Dona nobis pacem“ der Erwachsenen den Abendhymnus „Glory to thee“. So finden sich in der Messe gleichsam die Ereignisse und Stimmungen eines ganzen Tages – vom Erwachen bis zum Einschlafen. Die Verbindung von Kinder- und Erwachsenenstimmen hat einen außergewöhnlichen Effekt.

Diese Komposition Rutters ist bezeichnend für seine Stärken: Text und Musik ergänzen sich in idealer Weise und klassische Satztechniken verbinden sich mit Populärem. Melodieführung und Harmonik im Kyrie entführen in die Welt des Musicals und der Rhythmus im Gloria erinnert an südamerikanische Tänze. Homophone Chorsätze mit zurückhaltend eingesetzten Einschüben und Solostellen bescheren dem Werk einen besonderen Flair und einen besinnlichen Charakter.

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